Konzept
Erinnerung an den Widerstand von Frauen in der Steiermark gegen den Nationalsozialismus
Erinnerung an den Widerstand von Frauen in der Steiermark gegen den
Nationalsozialismus
Was ist Erinnerung? Und was Vergessen?
Kann man sich aussuchen, woran man sich erinnert und was man vergisst?
Es gibt dazu philosophische, soziologische, psychologische Aussagen;
es gibt persönliche und gesellschaftliche Ereignisse, wie Geburtstag
oder Nationalfeiertag. Und es gibt Gedenktage. Einzelne, singuläre Erscheinungen, deren
Unbeholfenheitscharakter zeigt, wie ungewöhnlich das Erinnern an etwas
Verdrängtes ist. Und jedesmal - mit jedem Erinnern - ist das Vergessen/Verdrängen
schon wieder mit im Gepäck.
Zu einem Teil liegt das wohl auch daran, dass der Alltag nicht
vorstellbar ist. Was heisst es, im Krieg zu essen, zu schlafen, zu
lieben, sich zu langweilen.
In der Publikation "Die im Dunkeln sieht man doch" wird wieder einmal
klar, dass Widerstand nur manchmal etwas mit sogenannten "großen
Taten" zu tun hat. Viel schwerer zu fassen und zu begreifen sind die alltäglichen
Handlungen, die im Gegensatz zur Macht stehen. Und damit scheinbar
auch viel leichter zu leugne
n, und abzutun. Wenn man sich die statistischen Daten zur "Gewährung"
von Restitutionszahlungen an Frauen im Widerstand ansieht, wird sehr
schnell klar, wer
darüber bestimmt, was als Widerstand zu kategorisieren ist.
Mut ist nicht relativierbar. Mut hat immer etwas zu tun mit der
eigenen Verfassung, mit der allgemeinen Lebenssituation, mit der
persönlichen Geschichte. Ob
sich ein Mensch in einer bestimmten Situation traut, etwas zu tun,
weiss er/sie erst im konkreten Fall. Je grausamer angedrohte
Bestrafungen sind,
umso größer ist die Überwindung, sich zu widersetzen. So ist zumindest
die Annahme.
Im Buch "Der Himmel ist blau. Kann sein." wird aber noch etwas anderes
deutlich. Man kann trotz Angst und Bedrohung Entscheidungen gegen
diese Gewalt treffen. Sie werden manches Mal dann nicht als Widerstand (an)erkannt, weil
sie nicht mit dem Pathos des Kämpfens vorgebracht werden, aber die
Erzählungen darüber
vermitteln eine Kraft, die aus dem Widerstehen entsteht.
Auch "Die im Dunkeln sieht man doch" macht diesen Mut sichtbar, und
nennt Namen. Namen von handelnden Frauen, deren Widerstandsleistungen
gerade auch durch
ihre Alltäglichkeit vermitteln, wie wahnsinnig dieses Regime war.
Alltag - das ist das Schlüsselwort, um sich der Widerständigkeit
etlicher dieser Frauen anzunähern. Um dieser Wahrnehmung von Dauer,
von Zeit, näherzukommen, und eine mögliche Form der Verarbeitung zu entwickeln, bedarf es
also auch Zeit. Und kleiner Gesten, im Gegensatz und als Ergänzung zu
großen Feierlichkeiten. In den eigenen Alltag muss das Erinnern einfliessen, nicht als
einmaliges Ereignis abhandelbar.
Weil das Erinnern eines Anlasses bedarf, werden Einzelereignisse als
Reihe aneinandergefügt, als Serie, als Beispiele für so viel
unbekannte oder vergessene
Taten. Als Datenmaterial werden die Geburtstage der
Frauen im Widerstand verwendet, wie sie in der Publikation "Die im
Dunkeln sieht man doch" veröffentlicht sind.
Um dem Projekt eine weitgestreute Sichtbarkeit zu geben, wird ein
Jahreskalender in Form von Audiojingles (= Audiokalender) produziert
und für Radiosendungen zur Verfügung gestellt.
8 KünstlerInnen und TheoretikerInnen sind eingeladen, sich und alle
anderen zu erinnern; es steht ihnen frei, fallweise oder auch
kontinuierlich weitere Ko-AkteurInnen miteinzubinden.
Die Form ihrer Erinnerungshandlungen bleibt ihnen jeweils selbst
überlassen, die Bedingung ist: es soll an jedem der genannten
Aktionstage eine künstlerische Arbeit/Aktion realisiert werden und das Geschehene muss dokumentiert
werden, als Text, als Photo, als Klang oder als Video. Dieses
Dokumentationsmaterial
wird hier in einer Kunstdatenbank gesammelt. Als
wachsendes Gebilde entsteht so ein kollektives Kunstwerk, das das
Erinnern zum Thema hat und jederzeit öffentlich zugänglich ist.
Reni Hofmüller, im Herbst 2007
alle Texte veröffentlicht unter GNU Free Documentation
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